Der folgende Artikel ist erschienen in der Stuttgarter Zeitung vom 23.01.2021 Fellbach & Rems-Murr-Kreis Seite III

 

Besinnungsweg Fellbach 

Das Kunstwerk, das nicht kommen darf

Wegen angeblich massiver Störungen des Landschaftsbilds haben Naturschutz und Baurechtsamt einer Skulptur der Triennale-Künstlerin Flaka Haliti für den Besinnungsweg Fellbach eine Absage erteilt. Wie geht es jetzt weiter? Von Sascha Schmierer

Fellbach - Ob die Einweihung einer neuen Skulptur mit mutmaßlich einigen hundert Gästen in Corona-Zeiten eine gute Idee ist, könnte in diesen Tagen auch den Förderverein für den Fellbacher Besinnungsweg beschäftigen. In der internen Terminplanung stand für dieses Jahr schließlich die Übergabe des zehnten Kunstwerks für den überregional bekannten Skulpturenpfads auf dem Programm. Doch nach Lage der Dinge müssen sich die Freunde der Freiluft-Kunst weder mit der Frage nach Sicherheitsabständen noch einem der Einladungskarte beigelegten Virus-Schnelltest befassen.

Der Grund: Mit einer Einweihungsfeier wird es in diesem Jahr wohl schon deshalb nichts, weil dem Förderverein das ins Auge gefasste Kunstwerk abhanden gekommen scheint. Naturschutz und Baurechtsamt haben der geplanten Skulptur schon bei einer ersten Vorbesprechung eine Absage erteilt. Und auch mit einem Ersatzprojekt ist vorerst nicht zu rechnen – im Laufe der vereinsinternen Debatte über die künstlerische Idee und die politische Aussage scheint auch das Interesse der Künstlerin am Skulpturenpfad in der schwäbischen Provinz abgekühlt zu sein.

Die Künstlerin ist vielfach ausgezeichnet – unter anderem für ihren Triennale-Beitrag

Denn schließlich handelt es sich bei der Gestalterin nicht gerade um ein künstlerisches Nachwuchstalent. Die Wahl der Besinnungsweg-Strategen war nämlich auf Flaka Haliti gefallen. Fellbacher Kunstfreunden ist die 1982 im Kosovo geborene Wahl-Münchnerin durch die Triennale in der Alten Kelter ein Begriff, zur Eröffnung vor zwei Jahren wurde sie von der Oberbürgermeisterin Gabriele Zull mit dem Ludwig-Gies-Preis ausgezeichnet. Für die Kleinplastik-Schau lieferte die an der Kunstuni in Pristina und an der Frankfurter Städelschule ausgebildete Haliti ein gewitztes Spiel mit dem Material – und präsentierte dem Publikum einen auf eine Marmorplatte geklebten Schwamm.

Der Kontrast zwischen Weichheit und Härte imponierte offensichtlich auch dem Förderverein für den Besinnungsweg – mit einer großen Skulptur für das Thema „Grenzen“ sollte es ein Wiedersehen mit der vielfach ausgezeichneten Künstlerin geben. Und Flaka Haliti entwickelte auch gleich eine großformatige Vision für die zehnte Station: Eine Wand aus Lochblech wollte die Künstlerin mit einem Graffiti-Schriftzug besprühen, eine Mahnung zur Datensammelwut moderner Zeiten sollte in großen Lettern und englischer Sprache das geplante Kunstwerk zieren.

Kontroverse Diskussionen um die Größe – und den englischsprachigen Slogan

Die künstlerische Kritik an der Macht der Algorithmen traf bei den Freunden des Besinnungswegs durchaus einen Nerv, löste aber auch intern kontroverse Diskussionen aus. Der Vereinsvorsitzende Paul Rothwein etwa tat sich mit der internationalen Mundart eher schwer und sprach sich gegen die Realisierung aus. Seine Stellvertreterin Christiane Ebner hingegen konnte dem zum Nachdenken anregenden Slogan etwas abgewinnen und spricht von einem wichtigen Beitrag für ein hochaktuelles Thema.

Noch mehr Spaltkraft als die Verständlichkeit der Aussage entfaltete freilich die schiere Größe des geplanten Objekts: Die Künstlerin Haliti stellte sich eine auf Stelzen ruhende Plakatwand mit zehn Metern Breite und drei Metern Höhe vor. Wenn man so will, hätte das durchaus südländisches Flair an den Ortsrand von Oeffingen bringen können – ähnlich imposante Werbeschilder sind sonst eher von spanischen Autobahnen bekannt.

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Durchaus großformatig: Der sich eine Auszeit gönnende Strommast in der Oeffinger Landschaft                                                                                                           Foto: Erwin Singvogel

 

Die Naturschutz-Behörde spricht von einem „Fremdkörper im Landschaftsbild“

Dennoch sprach sich der Vorstand des Besinnungswegs für den Entwurf der Künstlerin aus – wenn auch nur mit einer hauchdünnen Mehrheit. Allerdings hatten die Kunstfreunde die Rechnung ohne die Behörden gemacht. Sowohl das Fellbacher Baurechtsamt als auch der beim Rems-Murr-Kreis angesiedelte Naturschutz legten ihr Veto gegen die Mega-Wand aus Lochblech ein. Für einen Ortstermin mit der Fellbacher Kulturamtsleiterin Maja Heidenreich hatte der Besinnungsweg-Verein im Oktober eigens ein aus Holz-latten bestehendes Modell aufgestellt. Das Ergebnis der Besprechung: Die Dimension wurde fürs Landschaftsbild als störend empfunden, von einem „Fremdkörper“ war die Rede. „Eine derart dimensionierte Plakatwand steht im Widerspruch zu unseren stetigen Bemühungen, die Landschaft von Bebauung so weit wie möglich freizuhalten“, heißt es in einer Info an den Bauausschuss im November.

Für den Förderverein des Besinnungswegs war die Botschaft unangenehm, wenn auch nicht ganz neu. Denn als nicht genehmigungsfähig hatten sich Kunstprojekte in der Vergangenheit schon mehrfach erwiesen. Der erste Entwurf von Micha Ullmann zum Besinnungsort „Schöpfung“ etwa landete im Papierkorb, ein Entwurf mit sechs Meter hohen Glasplatten wurde eingestampft, weil er in der freien Natur wohl buchstäblich zu einem Vogel-Killer geworden wäre. Und einen Künstler, der auf einen ausgedehnten Steingarten setzen wollte, lehnte der Verein selbst ab – das Projekt hätte finanziell wohl jeden Rahmen gesprengt.

Hat die Wahl-Münchnerin Flaka Haliti jetzt die Lust verloren?

Ob Flaka Haliti ihren Entwurf umarbeiten möchte oder die gescheiterten Besinnungsweg-Pläne auf sich beruhen lässt, ist unklar. Dass die Lochblech-Wand in Oeffingen nicht umgesetzt werden darf, hat ihr der Verein bereits vor Wochen mitgeteilt – bisher aber keinerlei Reaktion auf das Schreiben und die Frage nach einem etwaigen Ersatzprojekt erhalten. Hat die Künstlerin die Lust am Skulpturenweg verloren, geht dem Besinnungsweg ein Projekt mit Strahlkraft und aktueller Aussage verloren – und die Suche nach Kunst für die zehnte Station von vorn los.

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