Stuttgarter Zeitung vom 17.06.2019, Fellbach und Rems-Murr-Kreis, Seite I
Bereicherung für den Besinnungsweg
Einweihung Am Sonntagnachmittag ist eine weitere Skulptur als Wegbegleiter enthüllt worden. Der zum „Bettler“ geformte Stein von Robert Beerscht steht an der Kreisstraße mit seiner politischen Botschaft gegen den Nord-Ost-Ring auch als Mahner. Ingrid Sachsenmaier
Demut gegenüber der Natur und Respekt vor dem Handwerk. In der von Robert Beerscht geschaffenen Steinskulptur kommt beides zum Ausdruck. Die als „Bettler“ 2006 entstandene, mannshohe Stein-Figur hat jetzt nach über zehn Jahren ihren Standort an der Kreisstraße nach Hegnach gefunden - und den Namen „Demut“ erhalten.
Selten war die Einweihung einer Skulptur auf beziehungsweise am Besinnungsweg in Oeffingen so stark von politischen Statements begleitet wie die Enthüllung dieser Stein-Skulptur am Sonntagnachmittag. Oberbürgermeisterin Gabriele Zull nutzte den Termin, um vor rund 150 Gästen, noch einmal zu mahnen und nachdrücklich auf die „unwiderrufliche Zerstörung wertvoller Naturräume und Kulturlandschaften“ hinzuweisen, die das „vierspurige Straßenmonster“ Nord-Ost-Ring mit sich bringen und täglich bis zu 70 000 Fahrzeuge übers Oeffinger Feld schleusen würde.
Das den Besinnungsweg begleitende Werk, es handelt sich nicht um eine der zwölf Stationen, unterstreicht in seiner archaischen Form das Bedürfnis, sich auf die Natur einzulassen. Ein Werk, „das zur Bescheidenheit mahnt und gleichzeitig eine Absage an die Neigung ist, auf Kosten der Schöpfung zu leben“, so Zull. Dafür erhielt sie zustimmenden Beifall. Auch Paul Rothwein, Vorsitzender des Vereins Besinnungsweg, war wichtig, auf die Aus-wirkung des Nord-Ost-Rings auf die Landschaft hinzuweisen. Die „Remstäler müsste man diesbezüglich aufklären“.
Die kauernde Figur von Robert Beerscht hat eine spannende Geschichte. Gerne hätte man sie von dem gelernten Steinmetz und Assistenten von Anatol Herzfeld selbst gehört, aber Beerscht musste leider krankheitsbedingt seine Anwesenheit absagen. Heribert Sautter, Leiter der Galerie der Stadt Fellbach, erinnert sich noch sehr genau an die Zusammenarbeit mit Anatol Herzfeld, die 1999 mit der Anfrage seitens des Fellbacher Kulturamtes begann, ob er am Besinnungsweg eine Station schaffen würde. Herzfeld sagte zu, berichtete Sautter in seiner kurzen Rede, und übernahm das Thema „Gott/Transzendenz“. Er bestellte dafür drei große Steine und schuf als Hauptwerk den „Gottsucher“, der 2001 übergeben wurde. Als spontaner Protest gegen den Nord-Ost-Ring entstand parallel, während dieser „Arbeitszeit“ - so nennt Herzfeld den Prozess, wenn ein Kunstwerk entsteht - der Stein „Hier nicht“. Auf ihm sind Menschen bei der Feldarbeit zu sehen. Er steht seit Jahren an der Kreisstraße, jetzt hat er den Bettler als Nachbarn. Als dann 2006 die Städtische Galerie in Fellbach eine Herzfeld-Ausstellung zeigte, verknüpfte sie der Künstler mit einer zweiten „Arbeitszeit“, die sein Assistent Beerscht für die Schaffung des Bettlers nutzte. „Wenn ein Mensch arbeitet und ein anderer schaut zu, dann hat dieser die Möglichkeit, Mitarbeiter zu werden“, erklärte Sautter den Ansatz von Herzfeld und somit auch von Beerscht, der mit so wenig Eingriffen wie möglich die Gestalt des Bettlers definiert hat und dem Sein in einer archaischen Strenge belassen hat. „Der Hier-nicht-Stein als ein Statement gegen Umweltzerstörung wird hervorragend durch den Bettler ergänzt“, so Sautter, „sind wir alle doch Bettler vor der Natur, die uns nicht braucht, wir sie aber umso mehr brauchen.“
Umrahmt von einem Bläserquartett und bewirtet mit Roséwein hatten die Gäste viel Gesprächsstoff, um noch gemütlich in der Sonne oder im Schatten zu diskutieren. Der Besinnungsweg, lobte Rothwein, habe eine tolle Vorstandschaft, aber er sei auch weiterhin auf das Wohlwollen der Stadt angewiesen. Das beruht auf Gegenseitigkeit: Die Existenz des Besinnungsweges, so die große Hoffnung, könnte letztendlich ausschlaggebend sein, dass der Nord-Ost-Ring nie gebaut wird.
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Stuttgarter Zeitung vom 15.06.2019, Fellbach und Rems-Murr-Kreis, Seite III
Auch die „Demut“ wird zum Wegbegleiter für den Besinnungsweg
Einweihung Nach dem „Schatten“ wird am Sonntag nun auch die Steinskulptur von Robert Beertsch enthüllt. Ingrid Sachsenmaier
Auf dem vor 20 Jahren begonnenen Besinnungsweg in Oeffingen gibt es nicht nur große Kunstwerke. Flankiert werden die Skulpturen von sogenannten Wegbegleitern. Einer kommt jetzt am Sonntag dazu. Die Steinskulptur „Demut“ von Robert Beertsch wird um 14 Uhr an der Einmündung der Hegnacher Straße in die Umgehungsstraße enthüllt.
Hinter dem Besinnungsweg steckt die Idee eines themenbezogenen Skulpturenwegs, der die Menschen zu von namhaften Künstlern geschaffenen Besinnungsorten führen soll. Zwölf solcher Orte sind angedacht, neun davon mittlerweile verwirklicht. Die sogenannten „Wegbegleiter“ sind genau das, was ihr Name sagt – sie stehen in der unmittelbaren Umgebung zum Weg, begleiten seine Besucher. Dazu zählen das Feldkreuz, die Feldkapelle, die Skulptur „Void“ von Alfred Görig, eine Stelen-Reihe von Robert Ebner und auch die Bodenskulptur „Schatten“ von Micha Ullman auf dem Oeffinger Friedhof.
Auch der Stein mit der Aufschrift „Hier nicht“ gehört dazu, er steht an der Kreisstraße in Oeffingen und wurde von Anatol Herzfeld als Mahnung geschaffen. Herzfeld hat 2001 den „Gottsucher“ für den Besinnungsweg aus Stein gemeißelt und sich für diese Arbeit drei Findlinge ausgesucht. „Kunst ist Arbeit“ war die Maxime von Herzfeld. Während eines Workshops, an dem auch Assistent Robert Beertsch teilnahm und einen der drei Findlinge bearbeitete, erfuhr Herzfeld vom geplanten „Nord-Ost-Ring“ und reagierte spontan mit der Steinskulptur „Hier nicht“. Mit dieser zweiten Skulptur traf er eine Aussage zur geplanten Straße, die dort seiner Meinung nach nicht entstehen darf, weil sie eine Kulturlandschaft zerstören würde. Der vor wenigen Wochen verstorbene Herzfeld reagierte damit schon vor über 18 Jahren auf das Straßenprojekt.
Die von Assistent Robert Beertsch damals im Rahmen des Workshops geschaffene Skulptur gleicht im Duktus dem „Gottsucher“, wurde aber nie auf dem Besinnungsweg aufgestellt. Man hatte zunächst keinen Platz für sie gefunden. Der Vorsitzende des Besinnungsweg-Vereins, Paul Rothwein, gewährte ihr deshalb all die Jahre in seinem Vorgarten „Obhut“. Bei der Standortsuche für den „Schatten“ fiel auch ein Platz für den neuen Wegbegleiter ab. Ursprünglich hieß er „Der Bettler“, Besinnungsweg-Schirmherr Friedrich-Wilhelm Kiel hat ihn jedoch „Demut“ getauft. Es war übrigens Herzfelds ausdrücklicher Wunsch, dass der Stein seines Assistenten einen Platz im Kontext des „Gottsuchers“ findet. Bei der Enthüllung am Sonntag sprechen Oberbürgermeisterin Gabriele Zull und Paul Rothwein. Heribert Sautter, Leiter der Galerie der Stadt Fellbach, erläutert das Kunstwerk, Robert Beertsch wird anwesend sein. Die Feier wird vom Bläserquartett der Christus-König-Kirche musikalisch umrahmt.
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Einladung zur Platzierung des Kunstwerks
"Demut" von Anatol Herzfeld und Robert Beerscht
Sonntag, 16. Juni 2019, 14.00 Uhr am Standort "HIER NICHT"
Begrüßung | Gabriele Zull, Oberbürgermeisterin der Stadt Fellbach | |
Grußwort | Paul Rothwein, Vorsitzender des Fördervereins Besinnungsweg | |
Erläuterungen zum Kunstwerk | Dr. Heribert Sautter, Galerie der Stadt Fellbach | |
Musikalische Umrahmung | Musikverein Oeffingen | |
Bewirtung | Wein, Wasser und Brot | |
15.00 Uhr | Kostenlose Führung zu ausgewählten Besinnungsorten |
Anatol Herzfeld hatte während der Arbeit am „Gottsucher“ von der seit vielen Jahren geführten Debatte um den Nordostring erfahren, einem Straßenbauprojekt, das für diese Kulturlandschaft katastrophale Folgen hätte. So entstand spontan eine weitere Arbeit mit dem Titel „HIER NICHT“: Abgebildet sind archaisch anmutende Figuren bei der Feldarbeit und die Inschrift „HIER NICHT“. Der Stein wurde am Übergang der Hegnacher Straße in die Kreisstraße 1854 aufgestellt. |
Robert Beerscht, der Anatol bei der Herstellung assistierte, schuf im Rahmen der Arbeitszeit die Skulptur „Demut“, die auf Anatols Wunsch im Kontext seiner Arbeit für den Besinnungsweg Aufstellung finden sollte. Sie soll zur Bescheidenheit angesichts der Schöpfung und des göttlichen Wirkens mahnen, entsprechend einer der letzten Lebensäußerungen Martin Luthers: „Wir sind Bettler, das ist wahr.“
Treffpunkt: Kreuzung Hegnacher Straße - Umgehungsstraße K1854