Tunnel-Pläne stoßen auf große Skepsis

Der Unternehmer Rüdiger Stihl stellte im Fellbacher Gemeinderat seine Vorschläge für einen in den Untergrund verlegten Nord-Ost-Ring vor und stieß dabei auf große Skepsis.

Siehe Bericht in der Stuttgarter Zeitung vom 25. Juni 2020. Bitte hier klicken.

 

 

Dazu der Kommentar von Sascha Schmierer in der Stuttgarter Zeitung vom 25. Juni 2020 Fellbach & Rems-Murr-Kreis Seite I

 

Stihl macht sich die Kette stumpf

Wer trägt denn die Kosten? Für den Nord-Ost-Ring-Tunnel braucht es viel Überzeugungs-arbeit. Von Sascha Schmierer

Es muss Rüdiger Stihl klar gewesen sein, dass er in Fellbach mit seinen Vorschlägen für den überdeckelten Nord-Ost-Ring ein besonders dickes Brett zu sägen hat. Überrascht war der Unternehmer aber schon, wie viel Misstrauen ihm entgegenschlägt. Zweifel an Verkehrsprognosen, Skepsis beim Bodenschutz, kritische Nachfragen zu Lärmentwicklung, Auffahrtrampen und zum Schwerverkehr – Fellbachs Stadträte nahmen die Machbarkeitsstudie fraktionsübergreifend nach allen Regeln der Kunst auseinander. Wie groß der Argwohn ist, zeigte sich bei Richard Kauffmann, der dem Bodenschutz-Experten seine eigenen Zitate um die Ohren schlug. Grünen-Fraktionschefin Agata Ilmurzynska wiederum dachte über die Kosten nach – und ob der oberirdische Nord-Ost-Ring kommt, wenn für die Tunnel-Variante das Geld ausgeht. „Wir nehmen zur Kenntnis, dass sie hochsensitiv auf die Fragen reagieren“, räumte Stihl am Ende der ursprünglich für März angesetzten, wegen der Corona-Krise aber verschobenen Vorstellungsrunde ein.

Ob die Überzeugungsarbeit sich gelohnt hat, ist eher zweifelhaft. Denn auf den ersten Blick hat die Idee, lieber einen landschaftsschonenden Tunnel zu graben als die Verkehrsprobleme der Region mit einer neuen Autobahn lösen zu wollen, ja durchaus Charme. Doch für die Stadträte bleiben noch zu viele Fragen offen. „Der Wille ist erkennbar. Aber wir tun uns schwer, das mit der Realität zusammenzubringen“, brachte es Oberbürgermeisterin Gabriele Zull auf den Punkt. Die Stadt will die Studie dennoch von unabhängigen Gutachtern prüfen lassen. 8000 Euro ist Fellbach eine seriöse Einschätzung wert.

Auf einem anderen Blatt steht, ob die Expertise unterm Strich überhaupt gefragt ist. Motorsägen-Gigant Stihl hat sich bei der Präsentation selbst die Kette stumpf gemacht – und von einem Gespräch im Bundesverkehrsministerium erzählt. Für einen Tunnel, das ergab der Plausch in Berlin, würde der Bund nicht mehr zahlen als die 600 bis 800 Millionen Euro, die aktuell für den Nord-Ost-Ring kalkuliert sind. Für den ähnlich großen Rest der Baukosten müsste sich jemand anderes finden. Die Überzeugungsarbeit bei Land, Kreis, Kommunen und vielleicht sogar Firmen dürfte ähnlich aufwendig sein, wie die Klärung der offenen baulichen Fragen.

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Fellbacher Stadtanzeiger vom Mittwoch 1. Juli 2020 - Seite 1

 

Straße bleibt Straße – auch im Tunnel

Vorstellung des Landschaftsmodells Nord-Ost-Ring im Gemeinderat löst zahlreiche kritische Nachfragen aus

Die Initiative Landschaftsmodell Nord-Ost-Ring ist ein entschlossener Gegner eines offenen Nord-Ost-Rings, plädiert aber für eine vierspurige Verbindungsstraße zwischen den Bundesstraßen 27 und 14 im Tunnel. Bei der Vorstellung dieses Entwurfs des Nord-Ost-Rings in der vergangenen Woche in einer Sondersitzung des Fellbacher Gemeinderates in der Schwabenlandhalle musste sich der Sprecher der Initiative, Dr. Rüdiger Stihl, zusammen mit den Planern zahlreichen kritischen Nachfragen stellen.

Die Infrastruktur zwischen den beiden Wirtschaftsräumen Rems-Murr und Ludwigsburg sei deutlich überfordert. Als „nicht bedarfsgerecht“ mit einem „hohem Zeitverlust“ für die Nutzer charakterisierte Dr. Rüdiger Stihl die derzeitigen Verkehrsverbindungen im Großraum Stuttgart. Der Gesellschafter des Waiblinger Motorsägenherstellers Stihl will mit seiner Initiative, an der neben Stihl auch die Unternehmen Bosch, Lapp und Trumpf beteiligt sind, die Fronten zum Nord-Ost-Ring aufbrechen. Klar bekennt sich der Unternehmer zum Landschaftsschutz: „Einen offenen Nord-Ost-Ring lehnen wir ab.“ Das von den Planungsbüros Obermeyer und Grupp/Lejeune entworfene Bauprojekt, das Stihl bewirbt, wird daher komplett als Tunnel geplant und verbraucht damit weniger Landschaft.

Doch so sehr die Fellbacher Gemeinderäte es lobten, dass die Landschaft geschont werden soll, kritisierten sie trotzdem den Straßenbau an sich. Vom 10,7 Kilometer langen Nord-Ost-Ring soll „nur“ das Kernstück, die Neckarunterquerung, in bergmännischer Bauweise errichtet werden. Der weitere Straßenverlauf wird zwar rund zehn Meter in die Erde eingegraben und erhält eine rund zwei Meter hohe Erdschicht, doch zunächst wird in offener Bauweise eine vier bis sechsspurige Betonröhre für den Tunnel integriert.

Für die Landwirte im Gremium stand außer Frage, dass der „über Jahrtausende gewachsene“ Boden so deutlich an Qualität verliert, wie FW/FD-Stadtrat Peter Treiber feststellte. Auch der CDU-Stadtrat Richard Kauffmann kann sich nicht vorstellen, dass ein Bodenmanagement bei einer solch großen Baustelle greift. Jede Schicht muss dabei horizontal abgetragen und darf nicht belastet werden. Baustraßen neben der Baustelle soll es nicht geben, damit der Boden nicht verdichtet wird. „Der herausgenommene Boden soll dabei nicht zwischengelagert und möglichst schnell und trocken eingebaut werden.“ Die Frage, ob die Baustelle bei Regen dann ruht, konnte der anwesende Bodenkundler Professor Dr. Karl Stahr nicht genau beantworten. Er verwies zwar für das Verfahren auf die Schweiz, konnte aber auf die Frage der SPD-Stadträtin Sybille Mack keine konkreten Referenzprojekte nennen.

Die Grünen-Stadträtin Agatha Ilmurzynska verwies auf die hohen Kosten des Landschaftsmodells, das mit 1,4 Millionen Euro veranschlagt ist. Der Verkehrswegeplan des Bundes, in dem der Nord-Ost-Ring aufgenommen ist, sei deutlich „unterfinanziert und selbst für einen oberirdischen Nord-Ost-Ring ist nicht genügend Geld“ eingestellt, so die Stadträtin. Ursprünglich auf 280 Millionen Euro kalkuliert würde die Straße heute zwischen 600 und 800 Millionen Euro kosten, so Stihl, der dieses Thema bei einem Gespräch im Bundesverkehrsministerium erörtert hat. Eine Gefahr, dass bei steigenden Kosten ein Tunnel nicht mehr realisierbar sei und wieder auf die oberirdische Variante zurückgegriffen würde, sieht der Unternehmer allerdings nicht. Er gehe davon aus, dass sich das Land an der Tunnellösung beteilige und die angesprochene Finanzierungslücke schließe.

„Ein Dinosaurier“ sei der Nord-Ost-Ring, so SPD-Stadtrat Andreas Möhlmann. Auch wenn die Straße unterirdisch geplant werde, bleibe es eine mehrspurige neue Straße, also der klassische Ansatz, um Verkehrsprobleme zu lösen. „Sie setzen eine vier- bis sechsspurige Fahrbahn in die Landschaft“, eine heute nicht mehr zeitgemäße Lösung, betonte der Stadtrat. Zumal die Innenstadt Stuttgarts von der Straße bekanntermaßen nicht entlastet würde. Für Fellbach „ist der Nord-Ost-Ring ein existenzielles Thema“, erklärte FW/FD-Stadtrat Ulrich Lenk. „Neue Straßen ziehen Verkehr an“ und der Nord-Ost-Ring bringe nur wenig Entlastung. Auch weitere Stadträte schlossen sich den Fragen nach den für die Tunnellösung zugrunde gelegten Verkehrsströmen und Verkehrszahlen an. Die Antworten von Helmuth Ammerl vom Büro Obermeyer und Rüdiger Stihl stellten die Stadträte nicht zufrieden, die deutlich mehr Verkehr und Lärm befürchten. Mit dem Nord-Ost-Ring komme eine neue Straße und damit auch Verkehr, den es vorher hier nicht gegeben habe.

„Wir wollen es genau wissen“, erklärte Oberbürgermeisterin Gabriele Zull zu den dezidierten Nachfragen der Stadträte. Der Nord-Ost-Ring werde schon seit drei Jahrzehnten diskutiert und das Gremium beschäftige sich nicht zum ersten Mal mit der Problematik. Die Oberbürgermeisterin begrüßte, dass erstmals offen über die Dimension des Nord-Ost-Rings als vier- bis sechsspurige Straße gesprochen würde und die Landschaft durch die unterirdische Führung geschont werden solle. „Der Wille und der Wunsch sind erkennbar, aber mit der Realität nicht vereinbar“, stellte die Oberbürgermeisterin fest, für die viele Fragen offen blieben.

Der Fellbacher Gemeinderat beauftragte im Nachgang der mehrstündigen Diskussion einstimmig eine gutachterliche Überprüfung für die Pläne der Tunnellösung.

 

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